Bandscheibendegeneration und Osteoporose

Gesunde und Osteoporose-Bandscheibe

Dieser Beitrag ist auch verfügbar auf: English (Englisch) Deutsch

Zusammenhänge zwischen Bandscheibendegeneration und Osteoporose werden immer wieder diskutiert. Es gibt ein schlüssiges Erklärungskonzept, warum Osteoporose die Bandscheibendegeneration beschleunigen kann.

Die Gesundheit unserer Bandscheiben hängt – wie bei jedem anderen Gewebe auch – an deren Durchblutung. Allerdings ist der Nucleus pulposus die größte avaskuläre Gewebsformation unseres Körpers. Wie kann es also sein, dass seine Degeneration dann trotzdem von der Durchblutung abhängt?

Die Durchblutung der gesunden Osteochondralen Einheit. Segmentale Gefäße verzweigen sich in der Wirbelkörper-Endplatte zu einem sinusoidalen Netzwerk (A). Diese kapillären Strukturen geben Nährstoffe über Knochenkanälchen an die darüberliegende knorpelige Deckplatte ab. Per Diffusion ernährte Zellen des Nukleus pulposus (C) produzieren Proteoglykane und sorgen damit für das Quell- und Puffervermögen der gesunden Bandscheibe.

Die Pathogenese führt über die Blutversorgung

Wie auch schon im Abschnitt zur Entwicklung beschrieben, kann die Bandscheibe nicht allein sondern nur im Gefüge mit dem darunterliegenden Knochen betrachtet werden (= osteochondrale Einheit). Die Ernährung erfolgt hauptsächlich über Knochenkanälchen durch ein sinusoidales Gefäßnetzwerk an den Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper. Ein weiterer Weg führt über den Anulus fibrosus – dieser ist jedoch pathophysiologisch für die Bandscheibendegeneration nicht von Relevanz. Nach dem Verlassen des sinusoidalen Gefäßsystems passieren die Nährstoffe den aufliegenden Knorpel und Erreichen dann den Nucleus pulposus. Die Gesundheit der Bandscheibe erkennt man am Quellvermögen (röntgenologisch als Bandscheibenhöhe erkennbar) der von den lebenden Zellen produzierten Proteoglykane.

Nun können sowohl Gefäßkrankheiten wie die Arteriosklerose (z.B. bedingt durch Rauchen oder Fettstoffwechselerkrankungen) zu einer Minderdurchblutung des Wirbelkörpers führen. Hier ist der direkte Zusammenhang zur Degeneration der Bandscheibe bereits nachgewiesen. Raucher haben daher bei bandscheibenbedingten Erkrankungen die schlechtere Prognose.1Rajesh N, Moudgil-Joshi J, Kaliaperumal C. Smoking and degenerative spinal disease: A systematic review. Brain Spine. 2022 Aug 7;2:100916. doi: 10.1016/j.bas.2022.100916. PMID: 36248118; PMCID: PMC9560562. Die Minderdurchblutung der osteochondralen Einheit führt einerseits zur VEGF-induzierten Neovaskularisation der Bandscheibe, andererseits aber auch zur Kalzifizierung der knorpeligen Endplatte. Interessanterweise kann diese Reaktion des Körpers die Degeneration nicht aufhalten. Langfristig bleibt es bei einer deutlichen Minderperfusion des Wirbelkörpers. Ursachen hierfür sind wahrscheinlich immunologische Prozesse.

Was hat dies mit der Osteoporose zu tun?

Bei der Osteoporose kommt es zu einer Störung des Gleichgewichts zwischen Knochenab- und -aufbau, so dass in der Folge die mechanische Leistungsfähigkeit des Wirbelkörpers beeinträchtigt ist und es zu Brüchen kommen kann. Die Störung des Gleichgewichts manifestiert sich in einer Abnahme der Trabekularisierung im Zentrum des Wirbels und einem ungeordneten Aufbau an den Rändern. Dadurch wird die Funktion des sinusoidalen Gefäßnetzwerkes mit den Knochenkanälchen beeinträchtigt. Gewissermaßen werden die feinen Ernährungswege „zubetoniert“. Die Folge ist dann ähnlich wie bei der Arteriosklerose – es kommt nicht mehr genügend Nährstoff zur osteochondralen Einheit. Wie bei der Arteriosklerose sind osteoporotische Wirbelkörper auch minderperfundiert.

Zusätzlich treten beim osteoporotischen Knochenumbau durch das Steiferwerden der Endplatte Belastungsspitzen und Mikrofrakturen auf, welche die Kalzifierungskaskade im Knorpel starten. Durch die Mangelernährung verliert die Bandscheibe ihr Quellvermögen und damit ihre Höhe und ihre Pufferwirkung. In der Summe wird also der osteochondrale Bandscheibenbereich fester und weniger elastisch und der darunterliegende Knochen immer weicher – ein Teufelskreis.

Die Pathogenese der Osteoporose-bedingten Bandscheibendegeneration: gesund (links) und osteoporotisch (rechts) nebeneinander. Durch den zentralen Verlust der Trabekularisierung (A → B) kommt es zum ungeordneten Knochenneubau im Deckplattenbereich (C), wodurch dort die Steifheit zunimmt, damit auch der biomechanische Streß. Es kommt zu Mikrofrakturierungen und zur Kalzifizierung des darüberliegenden Knorpels (D). Dadurch leidet die Versorgung des Nukleus pulposus und die Bandscheibe trocknet ein (E).

Therapeutische Ansätze

Präklinische Studien konnten zeigen, dass Bisphosphonate diesen Prozess abbremsen können, bei der Gabe von Teriparatid war der Effekt nicht nachzuweisen.

Zum Weiterlesen

Li et al: Does vertebral osteoporosis delay or accelerate lumbar disc degeneration? A systematic review. Osteoporosis International (2023) 34:1983–2002

Sharing is caring!

Schreibe einen Kommentar