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Uns wird in den nächsten Jahren eine zunehmende Arbeitsverdichtung zu schaffen machen. Etliche Kollegen werden aus Altersgründen in den Ruhestand eintreten und wir werden uns aufgrund des demographischen Wandels um eine größeren Zahl von Patienten kümmern müssen. Wie bekommen wir das gelöst?
Wir müssen uns fokussieren. Leistungen erbringen, die einen Mehrwert für unsere Patienten schaffen, Komplikationen reduzieren und die Belastung mit unnötigen Verfahren vermeiden. Welche Parameter sind dafür wichtig?
Positive Parameter für den Behandlungserfolg
OP-Ergebnis. Ganz klar spielt natürlich der medizinische Erfolg der Behandlung eine vordergründige Rolle, sowohl aus Sicht der Ärzte als auch aus Sicht des Patienten.
Vertrauen. Vertrauen wird von Patientenseite aus im Sinne einer Vorschussleistung gewährt. Vertrauen nicht zu enttäuschen und authentisch zu agieren sollte unser aller Ziel sein.
Eleganz. Während Effizienz das Maß für die Zielerreichung innerhalb eines Kostenrahmens ist, beschreibt Eleganz eine gewisse Mühelosigkeit, mit der die medizinische Behandlung erfolgt. Eleganz hilft, Ängste und Unsicherheiten auf beiden Seiten zu reduzieren, vermittelt eine Atmosphäre der Professionalität und bestätigt dem Patienten im Nachhinein die Richtigkeit seiner Entscheidung (z.B. für eine elektive Operation). Eleganz begegnet uns in Fast-Track oder ERAS (Enhanced Recovery After Surgery) Protokollen mit dem Ziel schnellstmöglicher Mobilisation und Entlassung aus dem Krankenhaus.
Was gilt es zu vermeiden?
Negative Parameter für den Behandlungserfolg
Komplikationen verschmälern ganz klar den zumindest kurzfristig wahrgenommenen OP Erfolg. Von der Art der Komplikation wird es abhängen, inwiefern auch langfristig mit Dauerfolgen zu rechnen ist. Dies korreliert sehr stark mit den daraus erwachsenden Kosten der Behandlung.
Unter Kostengesichtspunkten sind sowohl die direkten als auch indirekten Behandlungskosten zu sehen. Dazu zählen z.B. auch die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und im schlimmsten Fall auch der Wegfall der Erwerbsfähigkeit, bzw. außerhalb des Erwerbslebens der Eintritt von Pflegebedürftigkeit. Außerdem macht es Sinn, den Kostenfaktor aufzuteilen in Patienten -seitige Faktoren (Zeitverlust z.B. durch verlängerte Liegedauer im Krankenhaus, physische und psychische Schwächung durch erlebte Hilflosigkeit und Angst, Einkommensausfälle) und gesellschaftliche Faktoren (Blockierung von OP Plätzen für andere Patienten, entstehen von dauerhafter Behandlungsbedürftigkeit, Kompensationszahlungen, Ausfall von Sozialversicherungsbeiträgen).
Schwierig bei jeglicher Kosten-Diskussion ist, dass die Beträge in der Regel nachgelagert entstehen: für Versäumnisse in der Prävention entstehen Kosten in der Therapie, für Komplikationen in der Therapie entstehen Kosten in der Rehabilitation bzw. Berentung. Auf diese Weise bekommt der Verursacher der Kosten deren Auswirkungen auf das gesamte System nicht mit.
Patientenversorgung der Zukunft heißt vor allem Prävention
Diese Kosten sind alles andere als eine Kleinigkeit. Es ist nach dem OECD Bericht 2020 davon auszugehen, dass einer von 10 Patienten durch Vernachlässigung von Sicherheitsaspekten im Rahmen der medizinischen Behandlung geschädigt wird, was 3 Millionen vermeidbare Todesfälle verursacht (entspricht den jährlichen Todesfällen von Aids) und dass dadurch das Wirtschaftswachstum um 0,7% gebremst wird. Entwicklungsländer sind von dieser Problematik stärker betroffen.
Haupttreiber der im Krankenhaus erworbenen Komplikationen sind neben Medikationsfehlern vor allen Dingen Infekte (Pneumonie, Wundinfekte, katheterassoziierte Infekte), Thrombosen, Embolien, Ulcera und Stürze.2Siehe dazu auch der Bericht über im Krankenhaus erworbene Zustände der AHRQ von 2019 Als Schlüsselschritte zur Erhöhung der Sicherheit und zur Reduktion der oben genannten Ereignisse werden eine konsequente Infektionsprophylaxe (jeder dort investierte Euro wird 7-fach durch Kosteneinsparung belohnt), die Frühmobilisation von Patienten und eine gut geführte Kommunikation und Ausbildung gesehen. Mühelos lässt sich hier erkennen, dass die Patientenversorgung der Zukunft vor allem eine Stärkung von Präventionsbemühungen bedeutet.
Infektprophylaxe
Die Applikation einer Single-shot-Antibiose perioperativ, die Antibiogramm-gerechte Steuerung der Antibiose bei Infekten und die Regeln von Hygiene und Antisepsis sind Standard und nicht Fokus dieses Artikels. Einen Augenmerk möchte ich auf die Möglichkeit legen, über die Verkürzung des stationären Aufenthaltes selbst die Rate an Wundinfektionen und Pneumonien zu senken. In einer Studie von Sulzgruber et al. konnte ganz klar gezeigt werden, dass ein warum auch immer prolongierter präoperativer Aufenthalt in der elektiven Herzchirurgie zu einem linearen Anstieg der postoperativen Infekte geführt hat. 3Sulzgruber P, Schnaubelt S, Koller L, Laufer G, Pilz A, Kazem N, Winter MP, Steinlechner B, Andreas M, Fleck T, Distelmaier K, Goliasch G, Toma A, Hengstenberg C, Niessner A. An Extended Duration of the Pre-Operative Hospitalization is Associated with an Increased Risk of Healthcare-Associated Infections after Cardiac Surgery. Sci Rep. 2020 May 14;10(1):8006. doi: 10.1038/s41598-020-65019-8. PMID: 32409758; PMCID: PMC7224271.
Sobald ein Patient ein Krankenzimmer betritt, wird er dieses mit der ihm eigenen Flora kontaminieren. Genauso wird der nachfolgende Patient in Kontakt mit Keimen des vorangegangenen Patienten kommen. Die Auseinandersetzung des Immunsystems mit verschiedenen Bakterienstämmen ist durch eine konsequente Reduktion der stationären Aufenthaltsdauer eine vermeidbare Patientenbelastung.
Für eine mögliche Kausalkette zwischen Infekten und postoperativer Aufenthaltsdauer gibt es wenig Angaben, da hier möglicherweise zu viele zusätzliche Aspekte in das Infektgeschehen mit hineinspielen. Im Bereich der Wirbelsäulenchirurgie weiß man, dass die Dauer des Krankenhausaufenthaltes wohl nicht direkt mit den Komplikationen assoziiert ist, wohl aber mit dem zu erwartenden funktionellen Status.4Gruskay JA, Fu M, Bohl DD, Webb ML, Grauer JN. Factors affecting length of stay after elective posterior lumbar spine surgery: a multivariate analysis. Spine J. 2015 Jun 1;15(6):1188-95. doi: 10.1016/j.spinee.2013.10.022. Epub 2013 Nov 1. PMID: 24184639. Interessanterweise scheinen eher arztabhängige Faktoren, die Patientenfitness und das Alter für die Länge des Krankenhausaufenthaltes eine Rolle zu spielen und weniger patientenseitige Komorbiditäten.5Adogwa O, Lilly DT, Khalid S, Desai SA, Vuong VD, Davison MA, Ouyang B, Bagley CA, Cheng J. Extended Length of Stay After Lumbar Spine Surgery: Sick Patients, Postoperative Complications, or Practice Style Differences Among Hospitals and Physicians? World Neurosurg. 2019 Mar;123:e734-e739. doi: 10.1016/j.wneu.2018.12.016. Epub 2018 Dec 19. PMID: 30579024. Es ist zudem bekannt, dass in der Hüftendoprothetik Fast-Track Programme ohne eine Zunahme von Komplikationen gefahren werden können, mit erhaltener hoher Patientenzufriedenheit.6Husted H, Holm G, Jacobsen S. Predictors of length of stay and patient satisfaction after hip and knee replacement surgery: fast-track experience in 712 patients. Acta Orthop. 2008 Apr;79(2):168-73. doi: 10.1080/17453670710014941. PMID: 18484241. Für die Patientenversorgung der Zukunft bedeutet dies eine Hinwendung zu prehabilitativen Massnahmen (zur Erhöhung der Patientenfitness), um eine Frühmobilisation nach der OP zu erzielen und damit die stationäre Aufenthaltsdauer zu verkürzen.
Frühmobilisation
Neben einem angstfreien und aktivierenden Umgang mit operierten Patienten gehört auch die Gestaltung einer barrierereduzierten Umgebung zur wichtigste Maßnahme für die Ermöglichung der bestmöglichen Frühmobilisation. Hinderlich für mobilisierende Maßnahmen sind jegliche Kabel, Schläuche, Zugänge, die den Patienten in seinen Freiheitsgraden einschränken. Dazu zählen insbesondere Redon-Drainagen und Blasenkatheter.
In der Endoprothetik ist das Weglassen von Redon-Drainagen bereits geübte Praxis. Für die Wirbelsäuleneingriffe war bislang die Befürchtung eines postoperativen epiduralen Hämatoms mit neurologischen Konsequenzen ein Hindernis. In einer aktuellen Metaanalyse zeigt sich jedoch, dass sowohl für den thorakolumbalen Eingriff als auch für den ventralen zervikalen Eingriff nicht mit einer Erhöhung der Komplikationsrate gerechnet werden muss, wenn die Drainage weggelassen wird. Ganz im Gegenteil: Die Anlage einer Drainage erhöht in beiden Fällen das Transfusionsrisiko. Transfusionen sind per se mit einer Erhöhung postoperativer Komplikationen assoziiert, unabhängig davon, aus welchem Grund die Transfusion erfolgte.7Ventrale HWS-Eingriffe: Adogwa O, Khalid SI, Elsamadicy AA, Voung VD, Lilly DT, Desai SA, Sergesketter AR, Cheng J, Karikari IO. The use of subfascial drains after multi-level anterior cervical discectomy and fusion: does the data support its use? J Spine Surg. 2018 Jun;4(2):227-232. doi: 10.21037/jss.2018.05.10. PMID: 30069511; PMCID: PMC6046311.
Dorsale Thorakolumbale Eingriffe: Schnake, K.J., Pumberger, M., Rappert, D. et al. Closed-suction drainage in thoracolumbar spinal surgery–clinical routine without evidence? a systematic review. Eur Spine J 31, 614–622 (2022). https://doi.org/10.1007/s00586-021-07079-6
Liegezeiten von Drainagen länger als 72 Stunden erhöhen zudem die Wund-Infektrate. Ein Effekt der durch Antibiotika nicht umkehrbar ist.
Genauso wenig Gründe existieren für einen Verbleib von Blasenkathetern, wenn sie überhaupt gelegt werden müssen. Medizinisch nachvollziehbare Gründe sind hier Operationsdauern über 2 Stunden und die Notwendigkeit des anästhesiologischen Volumenmanagements. Diese Begründung fällt jedoch für die normale Hüft- und Knie- Endoprothetik sowie für kleinere Wirbelsäulenoperationen weg. Wenn ein Blasenkatheter gelegt wird, so sind hier in der Regel logistische oder Patienten-Komfort-Gründe angeführt. Medizinische Gründe für einen Verbleib des Blasenkatheters postoperativ gibt es in der Regel nicht.8Meddings J, Skolarus TA, Fowler KE, Bernstein SJ, Dimick JB, Mann JD, Saint S. Michigan Appropriate Perioperative (MAP) criteria for urinary catheter use in common general and orthopaedic surgeries: results obtained using the RAND/UCLA Appropriateness Method. BMJ Qual Saf. 2019 Jan;28(1):56-66. doi: 10.1136/bmjqs-2018-008025. Epub 2018 Aug 12. PMID: 30100564; PMCID: PMC6365917.
Für die Patientenversorgung der Zukunft bedeuten diese Daten: Weniger Schläuche postoperativ sind gerechtfertigt.
Das postoperative Einsperren des Patienten in jegliche Form von Orthesen erfolgt heutzutage noch reichlich – jedoch ohne Evidenz. Im cervikalen, thorakalen und lumbalen Wirbelsäulenbereich können Orthesen eine noch bestehende Instabilität nicht adressieren und erzeugen für die Patienten weder Tragekomfort noch verbessern sie das Outcome.9Philipp LR, Leibold A, Mahtabfar A, Montenegro TS, Gonzalez GA, Harrop JS. Achieving Value in Spine Surgery: 10 Major Cost Contributors. Global Spine Journal. 2021;11(1_suppl):14S-22S. doi:10.1177/2192568220971288
Postoperative Schmerztherapie
Wesentlich zum Erfolg einer erfolgreichen Frühmobilisation trägt die effektive Schmerztherapie unmittelbar postoperativ bei. Hier existieren multiple Konzepte, die im Rahmen dieses Artikels nicht aufgegriffen werden können. Sie reichen von der Gabe nichtsteroidaler Antiphlogistika präoperativ über diverse Katheterverfahren bis hin zur Wahrnehmung psychologischer, angstreduzierender und schlafverbessernder Maßnahmen.
Ich möchte jedoch diesen Artikel nutzen, um eine Arbeit aus dem eigenen wissenschaftlichen Wirkungskreis vorzustellen. Es handelt sich hierbei um eine retrospektive Analyse des stationären Verlaufs nach Skoliose-Operation bei Kindern. Untersucht wurde der Effekt eines intraoperativ gelegten epiduralen Schmerzkatheters. Sowohl bei gesunden Kindern als auch bei Rollstuhlfahrer am konnten positive Effekte gesehen werden, bei den gesunden Kindern gelang jedoch die Erstmobilisation signifikant früher.10Dinter K, Bretschneider H, Zwingenberger S, Disch A, Osmers A, Vicent O, Thielemann F, Seifert J, Bernstein P. Accelerate postoperative management after scoliosis surgery in healthy and impaired children: intravenous opioid therapy versus epidural therapy. Arch Orthop Trauma Surg. 2023 Jan;143(1):301-309. doi: 10.1007/s00402-021-03972-3. Epub 2021 Jul 24. PMID: 34302521; PMCID: PMC9886629. Inzwischen ist dieses Verfahren Standard in der Skoliosechirurgie. Es ermöglicht ein schmerzfreies Aufwachen des Kindes und bei intakten Kreislaufverhältnissen die Sofort-Mobilisation am Nachmittag nach der OP. Allein diese Möglichkeit reicht aus, um den Gedanken “Kranksein durch Operation” gar nicht erst im Gehirn reifen zu lassen.
Eine erfolgreiche Schmerztherapie zu betreiben, bedeutet möglicherweise jedoch auch, eine überflüssige Opiatmedikation präoperativ zu beenden. Die Opiatlast zu reduzieren, sei es präoperativ, intraoperativ oder postoperativ bedeutet, Morbidität zu reduzieren. Ich verweise hierbei auf meine Zusammenfassung zum Thema “Komplikationen durch perioperative Opiate”.
Vermeiden falscher Diagnostik
Falsche (weil nicht indizierte) Diagnostik führt hauptsächlich zur Kostensteigerung und nicht zu einem messbaren Benefit für den Patienten. Beispielsweise sind präoperative Labor-Testungen, Röntgenaufnahmen des Thorax oder ein EKG bei gesunden Patienten, welche zu einer elektiven Operation einbestellt werden, entbehrlich. Aufgrund der niedrigen Vortestwahrscheinlichkeit ist die Trefferquote einer ungezielten Blutabnahme äußerst gering.11Böhmer AB, Wappler F, Zwißler B: Assessing preoperative risk—from routine tests to individualized investigation. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 437–46.
DOI: 10.3238/arztebl.2014.0437 Nun kann man einwenden, dass diese Maßnahmen zu geringen Kosten erhältlich sind und letztlich eine gewisse forensische Sicherheit geben. Aber geringe Kosten * hoher Anzahl = deutliche Belastung für die Versichertengemeinschaft. Bezüglich der forensischen Sicherheit sollte die Ärzteschaft eigentlich in der Lage sein, eine gut geführte Anamnese und einen gut dokumentierten klinischen Befund über die Wertigkeit einer ungezielten Laboruntersuchung zu stellen. (⇨ Präoperative Labordiagnostik)
Die Bereitstellung von Blutkonserven verzehrt ebenfalls beträchtliche Ressourcen bei international rückläufigen Transfusionsraten und gleichbleibender postoperativer Anämierate.12Dhiman P, Gibbs VN, Collins GS, Van Calster B, Bakhishli G, Grammatopoulos G, Price AJ, Taylor A, Murphy MF, Kendrick BJL, Palmer AJR. Utility of pre-operative haemoglobin concentration to guide peri-operative blood tests for hip and knee arthroplasty: A decision curve analysis. Transfus Med. 2022 Aug;32(4):306-317. doi: 10.1111/tme.12873. Epub 2022 May 11. PMID: 35543403; PMCID: PMC9541407. Transfusionsraten in der elektiven Chirurgie sind in der Regel eingriffsbezogen, sodass hier bei bestimmten Eingriffen ein routinemäßiges Einkreuzen von Blutkonserven vermieden werden könnte, wenn eine entsprechende Logistik für den unerwarteten Blutverlust und ein Management für erschwerende Umstände (positiver Antikörpersuchtest) vorhanden ist. In der Hüft- und Knie-Endoprothetik liegt die Transfusionsrate unter 4,5%, bei einer zervikalen Fusion unter 1,5 %.13Aoude, Ahmed & Aldebeyan, Sultan & Fortin, Maryse & Nooh, Anas & Jarzem, Peter & Ouellet, Jean & Weber, Michael. (2017). Prevalence and Complications of Postoperative Transfusion for Cervical Fusion Procedures in Spine Surgery: An Analysis of 11,588 Patients from the American College of Surgeons National Surgical Quality Improvement Program Database. Asian Spine Journal. 11. 880. 10.4184/asj.2017.11.6.880.
Ein weiteres Beispiel für die Kostenexplosion durch falsche Diagnostik ist die Durchführung nicht indizierter erweiterter Bildgebung. Für das Beispiel des Rückenschmerzes existieren klare Leitlinienempfehlungen, die bei Abwesenheit von red flags jegliche Bildgebung innerhalb der ersten 6 Wochen ablehnen. Voraussetzung ist hier eine gut geführte Anamnese und klinische Untersuchung. Patienten ohne red flags in der Symptomatik profitieren weder in Funktion, Outcome, QoL noch in irgend einem anderen Parameter von einer MRT Bildgebung.14Chou R, Qaseem A, Owens DK, Shekelle P; Clinical Guidelines Committee of the American College of Physicians. Diagnostic imaging for low back pain: advice for high-value health care from the American College of Physicians. Ann Intern Med. 2011 Feb 1;154(3):181-9. doi: 10.7326/0003-4819-154-3-201102010-00008. Erratum in: Ann Intern Med. 2012 Jan 3;156(1 Pt 1):71. PMID: 21282698.
Patientenversorgung der Zukunft heißt effektive Kommunikation
Eng an das Thema Over-Imaging schließt sich der Themenkomplex Over-Referral, also die nicht gerechtfertigte Überweisung eines Patienten zum Spezialisten. Auf der einen Seite erzeugt dies natürlich Frust beim Patienten, da er umsonst Zeit und Energie für den Arztbesuch aufgewendet hat, ohne dass er dadurch einen Mehrwert für sich gewinnen konnte. Auf der anderen Seite verbraucht genau dieser Patient die Ressourcen des Spezialisten, die er für den richtigen Patienten reservieren muss.
Patientenerwartungen zu relativieren ist eine der wichtigsten Aufgaben zum Erzielen einer nachhaltigen Versorgungsstrategie. Eine ungerechtfertigte postoperative Erwartungshaltung ist ein Prädiktor für ein schlechtes OP-Ergebnis und wird durch wiederholte postoperative Arzt-Patientenkontakte zum Zeit- und Nervenfresser.15O’Reilly OC, Shamrock AG, Rosenbaum M, Clark CR, Patterson BM. Physician-Patient Communication in the Orthopedic Clinic: Surgeon-Identified Challenges. Iowa Orthop J. 2022 Jun;42(1):275-281. PMID: 35821951; PMCID: PMC9210441. Abhilfe schafft hier die Gesprächsführung im Sinne eines Shared-Decision-Makings: das Einbeziehen des Patienten in seinem Ausbildungsstand und seinen Bedürfnissen in die Entscheidungsfindung.16Chang, DS., Chen, WL. & Wang, R. Impact of the bidirectional relationship between communication and cognitive efficacy on orthopedic patient adherence behavior. BMC Health Serv Res 22, 199 (2022). https://doi.org/10.1186/s12913-022-07575-5 Es ist nachgewiesen, dass eine Gesprächsführung, die Orientierung gibt, zur Patientenbildung beiträgt und mit einer Prise Humor gewürzt ist, zu weniger Rechtsfällen in Arztpraxen führen kann.17Levinson W, Roter DL, Mullooly JP, Dull VT, Frankel RM. Physician-patient communication. The relationship with malpractice claims among primary care physicians and surgeons. JAMA. 1997 Feb 19;277(7):553-9. doi: 10.1001/jama.277.7.553. PMID: 9032162. Sollte dies erst beim Spezialisten erreicht werden können, dann ist eine Überweisung dorthin aus meiner Sicht gerechtfertigt – auch wenn es nicht zu einer Änderung der Therapie führt.
Interessanterweise ist auch die Art des zwischenmenschlichen Umgangs unter Kollegen mit der Komplikationsrate korreliert. So haben Chirurgen, die wegen schlechtem interkollegialen Umgangs angezeigt wurden, auch eine höhere Komplikationsrate.18Cooper WO, Spain DA, Guillamondegui O, Kelz RR, Domenico HJ, Hopkins J, Sullivan P, Moore IN, Pichert JW, Catron TF, Webb LE, Dmochowski RR, Hickson GB. Association of Coworker Reports About Unprofessional Behavior by Surgeons With Surgical Complications in Their Patients. JAMA Surg. 2019 Sep 1;154(9):828-834. doi: 10.1001/jamasurg.2019.1738. PMID: 31215973; PMCID: PMC6585020.
Schlussfolgerung
Konzentrieren wir uns auf den Wert, den unsere Arbeit für den Patienten erzeugt, behalten wir Kosten und eine gut strukturierte rationale Medizin im Blick, dann werden wir auch in Zukunft eine Patientenversorgung auf hohem Niveau gewährleisten können. Wir werden dankbare Patienten haben. Unser Beruf wird weiterhin erfüllend sein.